AKTUELLES
G-BA setzt STIKO-Empfehlungen vom Juli 2012 um
1. Rechtsgrundlagen
Nach § 20d Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Leistungen für Schutzimpfungen
im Sinne des § 2 Nr. 9 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Ausgenommen von diesem
Anspruch sind Schutzimpfungen, die wegen eines durch einen nicht beruflichen
Auslandsaufenthalt erhöhten Gesundheitsrisikos indiziert sind, es sei denn, dass zum Schutz
der öffentlichen Gesundheit ein besonderes Interesse daran besteht, der Einschleppung
einer übertragbaren Krankheit in die Bundesrepublik Deutschland vorzubeugen (§ 20d Abs.
1 Satz 2 SGB V). Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistungen für
Schutzimpfungen soll nach § 20d Abs. 1 Satz 3 SGB V der Gemeinsame Bundesausschuss
(G-BA) in Richtlinien nach § 92 auf der Grundlage der Empfehlungen der Ständigen
Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) unter besonderer Berücksichtigung
der Bedeutung der Schutzimpfungen für die öffentliche Gesundheit bestimmen.
Abweichungen von den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission sind durch den G-BA
besonders zu begründen (§ 20d Abs. 1 Satz 4 SGB V). Das RKI hat die aktualisierten Impfempfehlungen der STIKO im Epidemiologischen Bulletin Nr. 30/2012 veröffentlicht. Zu den Änderungen der STIKO-Empfehlungen hat der G-BA nach § 20d Abs. 1 Satz 7 SGB V innerhalb von drei Monaten nach ihrer Veröffentlichung eine Entscheidung zu treffen. Für den Fall, dass eine Entscheidung durch den G-BA nicht termin- oder fristgemäß zustande kommt, dürfen die von der STIKO empfohlenen Änderungen der STIKO-
Empfehlungen (mit Ausnahme von Schutzimpfungen nach § 20d Abs. 1 Satz 2 SGB V) zu
Lasten der Gesetzlichen Krankenkassen erbracht werden, bis die Richtlinienentscheidung
vorliegt.
2. Eckpunkte der Entscheidung
Mit dem vorliegenden Beschluss zur Änderung der Schutzimpfungs-Richtlinie setzt der G-BA
die neu gefassten Impfempfehlungen der STIKO, welche mit dem Epidemiologischen Bulletin
Nr. 30/2012 veröffentlicht wurden, entsprechend der Vorgabe des § 20d Abs. 1 Satz 7 SGB V um.
Anlage 1 der Schutzimpfungs-Richtlinie führt in einer einheitlichen Tabelle die einzelnen Impfungen, deren Indikation sowie Hinweise zu den Schutzimpfungen und weitere Anmerkungen auf.
Hierzu ergeben sich im Einzelnen die folgenden Änderungen:
1. Laut STIKO sollten fehlende Impfungen sofort, entsprechend den Empfehlungen für
das jeweilige Lebensalter, nachgeholt werden. Aus Tabelle 3 „Empfohlene
Nachholimpfungen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit fehlender
Grundimmunisierung (GI)“ des Epidemiologischen Bulletins 30/2012 ergibt sich, dass
die Komplettierung eines unvollständigen Impfschutzes gegen Hepatitis B ab einem
Alter von 15 Monaten erfolgen kann.
Der Abschnitt zur Impfung gegen Hepatitis B wird in Spalte 2 der 2. Absatz deshalb
wie folgt geändert:
„Grundimmunisierung aller noch nicht geimpften Kinder und Jugendlichen bzw.
Komplettierung eines unvollständigen Impfschutzes Impfung im Alter von 15 Monaten
bis 17 Lebensjahren.“
2. Nachholimpfungen gegen Meningokokken der Serogruppe C aller Jahrgänge bis zum
vollendeten 18. Lebensjahr im Sinne einer Catch-up-Strategie sind von der STIKO
nicht empfohlen worden. Eine entsprechende Anmerkung findet sich im Abschnitt zur
Impfung gegen Meningokokken. Unbenommen davon, umfasst der Anspruch auf
Leistungen für Schutzimpfungen auch die Nachholung von Impfungen und die
Vervollständigung des Impfschutzes bei Jugendlichen spätestens bis zum
vollendeten 18. Lebensjahr. Die Frage einer Catch-up-Strategie zur Nachholimpfung aller Jahrgänge bis zum vollendeten 18. Lebensjahr hat sich insbesondere zum Zeitpunkt der Empfehlung der
Impfung im Juli 2006 gestellt; unabhängig von der bestehenden Möglichkeit einer
Nachholimpfung im Einzelfall zum Erreichen eines individuellen Schutzes gegen
Meningokokken der Serogruppe C jenseits des 2. Lebensjahres. Aufgrund des
zeitlichen Verlaufs kann die explizite Anmerkung zur nicht empfohlenen Catch-up-
Strategie nunmehr entfallen. Darüberhinaus ergibt sich aufgrund der geänderten Anwendungshinweise im Hinblick auf die Impfung mit einem für die jeweilige Altersgruppe zugelassenen 4-valenten
Konjugatimpfstoff (Serogruppen A, C, W135, Y) bei gesundheitlich Gefährdeten
sowie zur Reiseschutzimpfung kein Änderungsbedarf in Anlage 1 der
Schutzimpfungs-Richtlinie. Der G-BA hat mit der Schutzimpfungs-Richtlinie keine
weitergehenden Spezifikationen vorgenommen, die den Empfehlungen der STIKO
widersprechen könnten. Allerdings sieht der G-BA die Vorbereitung einer Impfempfehlung durch die STIKO vor einer Entscheidung über die Zulassung entsprechender Impfstoffe durch die
zuständige Zulassungsbehörde grundsätzlich als nicht zielführend an. Sind z.B.
Bewertungsberichte der Zulassungsbehörden zu diesem Zeitpunkt noch nicht
veröffentlicht, stehen relevante Erkenntnisse als Voraussetzung für die Bewertung
einer solchen Empfehlung, auch im Hinblick auf eine Umsetzung in der
Schutzimpfungs-Richtlinie durch den G-BA, nicht zur Verfügung.
3. Die STIKO hat ihre Empfehlung zur Impfung gegen Mumps dahingehend geändert,
dass nach 1970 Geborene mit unklarem Impfstatus, ohne Impfung oder mit nur einer
Impfung in der Kindheit, die in Gesundheitsdienstberufen in der unmittelbaren
Patientenversorgung, in Gemeinschaftseinrichtungen oder Ausbildungseinrichtungen
für junge Erwachsene tätig sind, eine einmalige Impfung erhalten sollen.
Im Abschnitt zur Impfung gegen Mumps wird in Spalte 2 der 2. Absatz deshalb wie
folgt geändert:
„Berufliche Indikationen:
Nach 1970 Geborene mit unklarem Impfstatus, ohne Impfung oder mit nur einer
Impfung in der Kindheit, die in Gesundheitsdienstberufen in der unmittelbaren
Patientenversorgung (außer Personal in der Pädiatrie – vgl. hierzu Hinweise in Spalte
3), in Gemeinschaftseinrichtungen (außer Personal zur Betreuung und Pflege von
Kindern im Vorschulalter – vgl. hierzu Hinweise in Spalte 3) oder
Ausbildungseinrichtungen fur junge Erwachsene tätig sind.“
4. In den STIKO-Empfehlungen wird als Standardimpfung gegen Pneumokokken für alle
Erwachsenen ab 60 Jahren nur der Polysaccharidimpfstoff genannt. Bisher war nur der 23-valente Pneumokokken-Polysaccharidimpfstoff Pneumovax 23® für Erwachsene zugelassen. Zwischenzeitlich wurde die Zulassung für den 13-valenten Pneumokokken-Konjugatimpfstoff Prevenar 13® erweitert.
Zusätzlich zur Altersgruppe 2 Monate bis 5 Jahre ist dieser jetzt auch für Erwachsene
ab 50 Jahren zugelassen. Diesen Umstand berücksichtigend hat die STIKO in ihrer
aktualisierten Empfehlung daher zur Anwendung von Pneumokokken-Konjugatimpfstoff bei Erwachsenen auf ihre „Stellungnahme zur Impfung Erwachsener gegen Pneumokokken“ im Epidemiologischen Bulletin 7/2012, Seite 55f verwiesen und im Übrigen keine Änderung der Empfehlung vorgenommen.
Die STIKO hat im Ergebnis keine ausreichende Evidenzgrundlage für eine Änderung
ihrer geltenden Empfehlung zur Pneumokokkenimpfung von Personen ab 60 Jahren
(Standardimpfung) gesehen. Ausweislich ihrer Stellungnahme hat die STIKO hierzu erwogen, dass „Daten zur Serotypenverteilung in Deutschland (Jahre 2009 – 2010) zeigen, dass bei invasiven
Pneumokokkenerkrankungen (IPD) bei Menschen ab 60 Jahren zu 82 %
Kapselpolysaccharidtypen isoliert wurden, die in dem 23-valenten
Polysaccharidimpfstoff (PPSV23) enthalten sind, und zu 63 % Typen, die in dem 13-
valenten Konjugatimpfstoff (PCV13) enthalten sind.
Die Zulassungserweiterung von PCV13 beruht auf Studien zur Antikörperbildung
(Immunogenität). Nach Impfung mit PCV13 wurden im Vergleich zu PPSV23 höhere
Serumantikörperspiegel gegen die meisten der in beiden Impfstoffen enthaltenen
Kapselpolysaccharidtypen nachgewiesen. In vitro führten die Antikörper teilweise zu
einer verbesserten Abtötung von Pneumokokken durch Phagozyten. Daten zur
Wirksamkeit von PCV13 gegen klinisch relevante Endpunkte (IPD,
pneumokokkenbedingte Pneumonien und Todesfälle) liegen für Erwachsene bisher
nicht vor. Ob und wie sich die beobachtete bessere Immunogenität von PCV13 bei gleichzeitig
schmalerem Serotypenspektrum auf die klinische Schutzwirkung angesichts des in
Deutschland zirkulierenden Serotypen- Mix auswirkt, kann aufgrund der bisher
vorliegenden Daten nicht beurteilt werden.“
In dieser Stellungnahme weist die STIKO jedoch auch darauf hin, dass bei Personen,
bei denen die wiederholte Impfung gegen Pneumokokken aufgrund einer
Immundefizienz oder einer chronischen Nierenkrankheit indiziert ist, es
möglicherweise sinnvoll ist, sowohl mit dem 13-valenten Konjugatimpfstoff als auch
mit dem 23-valenten Polysaccharidimpfstoff zu impfen, auch wenn für diese
Indikation keine ausreichenden Daten zur klinischen Schutzwirkung vorliegen. Die
STIKO führt aus, dass „sofern ein solches Vorgehen in Betracht gezogen wird, […]
bei bisher ungeimpften Personen die Impfung mit dem Konjugatimpfstoff zuerst
erfolgen [sollte]. Immunogenität und Verträglichkeit einer nachfolgenden Impfung mit
PPSV23 nach 1 Jahr waren nach Herstellerangabe zufriedenstellend. Kürzere
Impfabstände wurden nicht untersucht. Eine nach 5 Jahren anstehende
Wiederholungsimpfung bei bereits mit PPSV23 geimpften Personen kann mit PCV13
erfolgen. Die Kostenerstattung ist mit der jeweiligen Krankenkasse bzw.
-versicherung individuell zu klären. Es ist zu beachten, dass Prevenar 13® aktuell
(Stand: Januar 2012) nur für Kinder bis 5 Jahre und Erwachsene ab 50 Jahren
zugelassen ist.“
Obwohl die STIKO noch keine ausreichende Evidenzgrundlage für eine Änderung
ihrer geltenden Empfehlung zur Pneumokokkenimpfung von Personen ab 60 Jahren
gesehen hat, kommt der Gemeinsame Bundesausschuss zu der Auffassung, dass
vor dem Hintergrund der bestehenden Zulassung des 13-valenten
Konjugatimpfstoffes bei den ≥ 50 -Jährigen für die Indikation „Prävention von
invasiven Erkrankungen, die durch Streptococcus pneumoniae verursacht werden“
die letztlich durch eine länger zurückliegende Zulassung des Polysaccharid-Impfstoffs
bedingte Einschränkung des Anspruches für Leistungen durch eine Schutzimpfung
gegen Pneumokokken auf einen konkreten Impfstoff nicht mehr gerechtfertigt ist.
Mit der Zulassung beruhend auf Studien zur Antikörperbildung (Immunogenität) ist
die Wirksamkeit des 13-valenten Konjugatimpfstoffes als belegt anzusehen. Auch
wenn aus Sicht der STIKO aufgrund der bisher vorliegenden Daten nicht sicher
beurteilt werden kann, ob und wie sich die beobachtete bessere Immunogenität von
PCV13 bei gleichzeitig schmalerem Serotypenspektrum auf die klinische
Schutzwirkung angesichts des in Deutschland zirkulierenden Serotypen- Mix
auswirkt, ergeben sich für den G-BA im Umkehrschluss aus der Datenlage aber auch
keine Hinweise, die gegen einen möglichen Einsatz des 13-valenten
Konjugatimpfstoffes zur Schutzimpfung von Personen ab 60 Jahren oder Personen,
bei denen die wiederholte Impfung gegen Pneumokokken aufgrund einer
Immundefizienz oder einer chronischen Nierenkrankheit indiziert ist, sprechen.
Vor diesem Hintergrund wird der Abschnitt zur Impfung gegen Pneumokokken
dahingehend geändert, dass eine explizite Beschränkung auf die Anwendung des
Polysaccharidimpfstoffes zur Impfung gegen Pneumokokken für Personen ab 60
Jahren oder Personen, bei denen die wiederholte Impfung gegen Pneumokokken
aufgrund einer Immundefizienz oder einer chronischen Nierenkrankheit indiziert ist,
entfällt.
5. Aufgrund der dahingehend aktualisierten Impfempfehlungen zur
Kombinationsimpfung gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen durch die STIKO
entfällt in den Abschnitten zur Impfung gegen Röteln und zur Impfung gegen
Varizellen in Spalte 4 im 1. Absatz jeweils der Klammerzusatz „(Epidemiologisches
Bulletin Nr. 38 vom 26.09.2011, S. 352)“.
6. Die STIKO führt im Epidemiologischen Bulletin 31/2012 auf Seite 313 zur Impfung
gegen Varizellen aus, dass „die Empfehlung einer bevorzugten Nachholimpfung bei
9- bis 17-jährigen Jugendlichen ohne Varizellen-Anamnese entfällt. Wie bei anderen
Impfungen soll auch eine fehlende Impfung gegen Varizellen so früh wie möglich,
spätestens bis zum 18. Geburtstag, nachgeholt werden.“
Im Abschnitt zur Impfung gegen Varizellen wird deshalb in Spalte 2 der folgende
2. Absatz gestrichen:
„Standardimpfung mit zwei Dosen eines monovalenten Impfstoffes für ungeimpfte 9-
bis 17-jährige Jugendliche ohne Varizellen-Anamnese.“
In Anlage 2 der Schutzimpfungs-Richtlinie sind in einer Tabelle Dokumentationsnummern
aufgegführt.
Hierzu werden die folgenden Änderungen vorgenommen:
1. Influenza-Prophylaxe bei Personen ab einem Lebensalter von 24 Monaten bis zum
vollendeten 18. Lebensjahr ist auch ein nasal zu applizierender Impfstoff zugelassen.
Die Dokumentation der nasalen Applikation der Influenza-Impfung soll zukünftig
gesondert erfolgen. Hierzu wird eine Dokumentationsnummer 89112 n zur nasalen
Applikation der Influenza-Impfung für „sonstige Indikationen, außer schweres
Asthma: Kinder und Jugendliche (24 Monate bis 17 Jahre)“ eingefügt. Diese
Dokumentationsnummer 89112 n ist dann zukünftig beim Einsatz des nasal zu
applizierenden Impfstoff anstelle der 89112 zu dokumentieren.
2. Die Änderung der Angabe „Pneumokokken Polysaccharidimpfstoff
(Standardimpfung)“ in „Pneumokokken (Standardimpfung)“ ist eine Folgeänderung
aufgrund der Änderung in Anlage 1 im Abschnitt zur Impfung gegen Pneumokokken.
Quelle: Beschl. G-BA v. 18.Oktober 2012
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